APOKALYPSE DER LUST - ÜBER DEN KÜNSTLER DIRK LANG UND SEIN COMIC PROJEKT DIE TAGE VON SODOM (Text: Jens Brodzinski)

Muskulöse Körper, knackige Hintern, prickelnde Erotik pur. Vor einer bizarren Kulisse spielen vom Leben gelangweilte Männer mit dem Feuer, lassen ihrer Lust freien Lauf und fürchten weder Tod noch Teufel. Dirk Langs Comic Projekt Die Tage von Sodom taucht ein in eine Welt, deren Oben und Unten im Drogenrausch verschwimmt. Eine Welt voller irrealer Farben und Düsternis, in der Diabolo die Fäden zieht.

Er hat Schwein gehabt im Leben, im wahrsten Sinne des Wortes. Dirk Lang, Künstler aus Berlin, jonglierte lange Zeit mit seinem vielseitigen Talent. Nachdem er begeisterten Klavierlehrerinnen, Regisseuren und Kunstlehrern eine Abfuhr erteilt hatte, stand er mit Anfang 20 mehrere Jahre mit der legendären Melitta Sundström und den "Bermudaas" auf der Bühne und sang. Nebenbei fand er Gefallen an Fotografie und Malerei. 1996 schließlich veröffentlichte er seinen ersten Roman Santa Adele - Jungfrau des Lichts. Ein rosa Schweinchen in den Armen Prominenter.Lobeshymnen seitens der Kritiker, Medienrummel, ein Preisgeld vom Berliner Senat und eine Nominierung für den Brentano Preis. Leider nur der zweite Platz! Und ohne Preisgeld. Dennoch schrieb er weiter und ging auf Pirsch mit der Kamera. Der künstlerische Erfolg gab ihm Recht, der finanzielle fiel eher mager aus. Aber: die Zeit der Suche nach einer Richtung im Leben schien vorüber.

Seit Dirk Lang einen Füller in der Hand halten konnte, versuchte er sich an Kurzgeschichten und Skripten. Auf den literarischen Durchbruch mit Santa Adele folgten einige Drehbuchentwürfe, ein Kindermusical, ein weiterer Roman. Die Drehbücher landeten in den Papierkörben gereizter Produzenten, allein das Kindermusical wurde erfolgreich in Berlin aufgeführt. Boris Priebe vom Pegasus Verlag meinte: "Das sind so ziemlich die besten Liedertexte, die ich gelesen habe. Leider ist die Inszenierung grauenhaft. Können Sie nicht einen Komponisten finden, der Ihnen die Lieder neu komponiert?" Er konnte nicht. Dafür fehlte das Geld.

Inzwischen ging Dirk Langs neuer Roman Eistaucher ins Rennen. Die renommierte Literaturagentur Graf und Graf legte sich ins Zeug - und richtete nichts aus. "Tolles Buch. Aber leider kein Jugendbuch, sondern ein Roman für Erwachsene." "Tolles Buch, aber ein Jugendroman." So ging das hin und her. Nach fünf Versuchen warfen Agentin und Autor das Handtuch. Doch auf den Gedanken, den Kopf in den Sand zu stecken, kam er nicht. Als Wolfgang Paulik von "S-Project" ihm das Angebot unterbreitete, ein Skript für eine Comic-Geschichte zu schreiben, sagte er zu. Die Idee, Fotografie, Körperbemalung und digitale 3-D Bildbearbeitung miteinander zu verschmelzen, schien ihm reizvoll. Nur die zündende Story fehlte noch.

Idee Nummer eins: eine Agentengeschichte in den Katakomben Berlins. Der Supermann mit dem goldenen Schwanz rettet die Welt. Die Story nahm langsam Konturen an, als Goldständer von Austin Powers in die Kinos kam. Dumm gelaufen. Idee Nummer zwei versprach mehr Originalität: Marquis de Sades Roman Die 120 Tage von Sodom. Er wurde schließlich zum Ideenpool für Dirk Langs derzeitiges Comic-Projekt. Vor über 20 Jahren erregte Psolinis Film die Gemüter der Zuschauer, die empört das Kino verließen, nachdem sie ihre voyeuristischen Bedürfnisse befriedigt hatten. Lange Zeit war der Film verboten. Aus Langs Sicht spricht dies dafür, dass der Film die Seele der Menschen berührte, sie zutiefst verstört hatte. Für ihn ein gutes Zeichen.

Im Comic sind von de Sades Roman nur einige zentrale Gedanken geblieben. Unappetitliche Details fehlen, die Grausamkeiten spielen sich vielmehr in den Köpfen der Protagonisten ab. Sexuelle Befriedigung, perverse Spielchen und sadistische Machtgelüste prägen das bizarre Weltbild dreier übersättigter und pervers gelangweilter Millionäre, die im Koksrausch auf die Idee einer Massenorgie kommen. Mit fadenscheinigen Knebelverträgen locken sie sechs Männer in eine Villa, die sich den dreien auf Gedeih und Verderb verpflichten. Anfangs noch überzeugt, die Situation kontrollieren zu können, eskaliert sie schließlich schneller, als erwartet. Die Fäden gleiten ihnen aus den Händen ...

Soweit die Geschichte. Inzwischen hat das Comic-Projekt immer größere Dimensionen angenommen. einfach nur schöne Models reichen nicht aus. Sie müssen auch schauspielerische Fähigkeiten mitbringen - und, wie immer bei künstlerisch ambitionierten Projekten, für wenig bis gar keine Gage arbeiten, nur mit der Aussicht auf späteren Ruhm, wenn der Comic einen Verlag gefunden hat. Einige Models hat er gewinnen können und mit dem Berliner Szenephotografen Raymond Angeles einen begeisterten Mitstreiter gefunden. Einstweilen bleiben Dirk Lang die Rollen als Autor, Set-Designer, Regisseur - und nicht zuletzt als Darsteller. An Talenten jedweder Art mangelt es ihm ja nicht. Das sollte als Rüstzeug für den anhaltenden schwulen Comic-Boom reichen. Wäre doch gelacht.